Schlossführungen erfreuen sich großer Beliebtheit
Das Wasserschloss in Oberdolling befindet sich seit geraumer Zeit im Besitz der Gemeinde.
Seither wurde aus der Einwohnerschaft wiederholt der Wunsch nach einer Besichtigung des
Hauses an die Gemeindeleitung herangetragen. Diesem Ansinnen hat man nun mit einem
„Tag der offenen Schlosstür“ entsprochen.
Zunächst wurde den Besuchern anhand mehrerer Schaubilder ein Abriss der Besitz- und
Baugeschichte des Hauses vorgetragen. Nachdem die Pfarrkirche am Ende des 19.
Jahrhunderts von Gund auf neu erbaut worden ist, ist das Wasserschloss das mit weitem
Abstand älteste Gebäude in Oberdolling. Seine Ursprünge reichen wohl zurück bis ins hohe
Mittelalter. Nach 1350 ist eine Wasserburg als Sitz einer adeligen Ritterfamilie urkundlich
mehrfach belegt. Das Bauwerk diente militärischen Zwecken, war neben Wohnplatz auch und
vor allem Wehr- und Verteidigungsanlage. Mit dem Ende des Mittelalters und der endgültigen
Vereinigung des Herzogtums Bayern entfiel die Notwendigkeit der militärischen
Einrichtungen, die Feste wandelte sich nach und nach hin zu einer rein zivilen und
wirtschaftlichen Anlage.
Um 1600 wurde, den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend, über den Fundamenten der Burg
ein geräumiges Schloss als Sitz einer Hofmarksverwaltung errichtet. Gute Vergleichsobjekte
finden sich noch in Schönbrunn, Gemeinde Denkendorf, und Eggersberg, Stadt Riedenburg.
Eine Quelle von 1617 beschreibt es als „schönes, wohlerbautes Schloss mit Schlossgräben“.
Der Schlossherrschaft unterstanden 27 Anwesen in Oberdolling und sechs in Kasing, der Hof
Hellmannsberg, die Orte St. Lorenzi, Tholbath, Pettling, Pleiling und Dünzing, ihr gehörten
über 800 Tagwerk Wald, eine Brauerei, eine Ziegelei und vieles andere mehr.
Nur wenige Jahrzehnte später ging die gesamte Anlage im 30-jährigen Krieg in Flammen auf.
Um 1690 wurde die Brandruine wieder instandgesetzt und sollte so einem Mitglied der
berühmten Adelsfamilie Hegnenberg-Dux und seiner Ehefrau als Altersitz dienen. Die beiden
starben schon nach ein paar Jahren. Ihre Grabsteine sind in der Oberdollinger Pfarrkirche
erhalten. Das Schloss blieb von da an für über hundert Jahre unbewohnt und wurde lediglich
als Lager- und Arbeitsstätte vor allem für die Landwirtschaft genutzt. Der lange Leerstand
hinterließ Spuren. Eine Beschreibung aus dem Jahr 1810 führt sie uns eindrücklich vor
Augen: „Das alte, höchst baufällige und unbewohnte Schloss ist ein altes, unbrauchbares
Gebäude ohne Hausnummer.“
Nach 1830 kam das Anwesen in bürgerliche Hände und wechselte dann in rascher Folge
mehrfach den Besitzer. Das Schloss war zu einer Anlageimmobilie verkommen und endlich
zu einem Bauerhaus herabgesunken. Dafür war es aber völlig überdimensioniert und allein
von den Baustrukturen her für eine landwirtschaftliche Nutzung völlig ungeeignet. Der
Südflügel wurde deshalb entkernt und in Stallungen und einen Stadel umfunktioniert.
Und dann kam das Schicksalsjahr 1931. Die zweite Brandkatastrophe zerstörte das Gebäude
fast vollständig. Der damaligen Besitzerfamilie Förster, kunstsinnige und traditionsbewusste
Leute allesamt, verdanken wir den Wiederaufbau des Schlosses in seiner heutigen
Erscheinungsform. Der ehemalige Südflügel wurde bis auf den Grund abgetragen, der
Nordflügel sorgfältig rekonstruiert. Auf der Hofseite wurde ein völlig neuer Eckturm errichtet
und so ein nahezu exaktes Abbild des alten Schlosses in halber Größe geschaffen.
Nach dieser Einführung wurden die Besucher in kleinen Gruppen durch das Haus geführt, wo
ihnen die vorgestellten Baumerkmale am Objekt selbst gezeigt und eingehend erläutert
wurden. Im Gebäude lassen sich die drei unterschiedlichen Bau- und Nutzungsphasen noch
deutlich erkennen. Im Erdgeschoss sind zwei Räume und der Nordwestturm kreuzgratgewölbt
und zeigen sich damit als Reste der mittelalterlichen Burg. Die Steinböden dort stammen
ebenfalls noch aus der Erbauungszeit. Eine gotische Sakramentsnische zeigt die Lage der
Burgkapelle an. Die hohen, weiten Räume auf der Verwaltungs- und der Wohnetage der
Herrschaft und der Nordostturm zeichnen die renaissancezeitliche Raumgestaltung des
Hofmarkschlosses nach. Deutlich hebt sich der nach 1931 neu geschaffene Turm in
Raumgröße und -gestaltung von den älteren beiden ab. Bemerkenswert und in ihrer Funktion
nicht endgültig geklärt ist eine Halbwendeltreppe, die an die Außenseite der Nordostwand
angefügt ist. Sie verbindet alle drei Etagen und hat ursprünglich wohl auch noch zu den
Dachböden hinaufgeführt. Rätsel gibt ein Schacht in der Mauerstärke auf, der unmittelbar
neben der Treppe liegt und vom ersten Stock bis auf die Fundamente hinabreicht.
In den lebhaften Diskussionen am Ende der Führungen äußerten sich die Besucher durchweg
angetan vom Bauzustand des historischen Gebäudes und seinem beeindruckenden
Raumangebot. Die davor vielfach geäußerten Bedenken hinsichtlich der Sinnfälligkeit des
Erwerbs der Immobilie durch die Gemeinde konnten sichtlich ausgeräumt werden. Das
Schloss sieht ja gar nicht schlecht aus, so die einhellige Meinung der Besucher, da lässt sich
doch einiges draus machen. Und spontan wurden dem Bürgermeister einige
Nutzungsmöglichkeiten vorgeschlagen. Die Ideen reichten dabei vom Biergarten über ein
Schloss-Café bis hin zu Serenaden im Park. Unverkennbares Ergebnis des Tages im Schloss
auch: Oberdolling hat seine Mitte gefunden!
Text:R.Kürzinger / Foto: err